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N E W S L E T T E R
Autor: Auflage: 20‘000 (elektronisch versendet) |
Volkmar Völzke Gründer und CEO New Pace Consulting AG |
Die KMU-Falle
Sehr geehrte Damen und Herren
Dieser Gastnewsletter von Volkmar Völzke, CEO der New Pace Consulting AG, befasst sich mit der Frage, wie die Geschäftsführung eines KMUs eine Arbeitsumgebung schaffen kann, welche effizient ist und zugleich Spass macht. Dieser Artikel erschien im Original in der Zeitschrift Organisator.
Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen bauen – wie Personen – ihre eigenen Grenzen um sich herum, denen nur schwer zu entkommen ist. Es braucht zuallererst einen Paradigmenwechsel auf der Führungsebene.
Die Gründung eines Unternehmens beginnt mit grossem Enthusiasmus, um die Motivation der Mitarbeitenden muss man sich kaum kümmern. Die Löhne sind meist niedriger, die Begeisterung dafür umso höher. In dieser ersten Phase geht es darum, den Betrieb «skalierbar» zu machen, also die notwendigen Strukturen und Prozesse einzuziehen, um Wachstum, Effektivität und Effizienz sicherzustellen.
Enthusiasmus nimmt ab. In Phase zwei, im Zeichen abnehmenden Enthusiasmus, steht vor allem die weitere Produktivitätssteigerung im Vordergrund, oft auch die Ausweitung des Geschäftes in andere Märkte. Das grosse Problem hierbei ist, dass die Begeisterung der Mitarbeiter weiter nachlässt, sofern nicht von der Unternehmensleitung aktiv dagegen gesteuert wird. Dies geschieht aber in viel zu wenigen Unternehmen. Häufig erlebt man dann Geschäftsführer, die geradezu verzweifelt sind, dass trotz aller Anstrengungen die Mitarbeiter nicht mehr «voll dabei sind» und formale Abläufe über den zu erreichenden Ergebnissen stehen.
Bemerkenswert ist, dass dies auch passiert, wenn die Unternehmensleitung offen gegenüber ihren Managern und Mitarbeitern äussert, dass Ergebnisse immer wichtiger als Formalitäten seien. Es ist, als sei eine Verbindung zusammengebrochen, die anfänglich bei jedem Unternehmen funktioniert: nämlich der Zusammenhang zwischen dem eigentlichen Willen etwas zu erreichen und der von anderen wahrgenommenen Realität. Denjenigen, die sich etwas mit Coaching auskennen, wird das bekannt vorkommen. Personen erreichen oft ihre vollen Potenziale nicht, weil Ziele und Handlungsweisen nicht kongruent sind. Oft passiert dies unbemerkt.
KMU in der Midlife-Crisis
Da dieser Zustand bei KMU häufig bei gewisser Reife eintritt, sprechen wir hier gerne von der «KMU-Midlife-Crisis». Irgendein Feuer brennt noch, man ist stolz auf das Erreichte und fühlt sich doch unbehaglich, da man an die eigenen Grenzen stösst. Bei Unternehmen können diese «eigenen Grenzen» ernste Auswirkungen haben, nämlich das Verschwinden vom Markt.
Bevor wir näher darauf eingehen, wie man aus diesem Zustand ausbrechen kann, zunächst noch ein Blick auf die nächste Phase im Lebenszyklus. Wenn die Organisation die Phase zwei überlebt und weiter wächst, wird in den meisten Fällen weiter intern optimiert und die Effizienz gesteigert. Die Begeisterung der Mitarbeiter nimmt dabei in der Regel weiter ab, bis die Unternehmen zwar am Ende nahezu perfektioniert, aber emotionslos sind. Wir nennen das die «Perfektionsfalle». Viele Grossunternehmen befinden sich hier.
Die drei grossen Irrglauben
Der häufigste Grund, warum Personen und Unternehmen in einem Zustand gefangen sind, aus dem sie nur schwer einen Ausweg sehen (wie die Unternehmen in der «Midlife-Crisis»), ist eine verzerrte Wahrnehmung der wirklichen Problemursachen und ein Beharren auf gewohnten Denkweisen. Dies ist ein weites Feld, und deshalb wollen wir uns hier auf die nach unserer Erfahrung wichtigsten Mythen konzentrieren, die in KMU anzutreffen sind.
- Andere sind schuld am Misserfolg und am Erfolg. Dies ist eine erstaunlich häufig anzutreffende Einstellung von der Geschäftsleitung bis hin zu den Arbeitern in der Produktion. Es gibt unzählige Umstände, denen man Schuld für das eigene Nichtweiterkommen geben kann. Die üblichsten sind: der Markt, die Mitbewerber, die Kunden («die wollen immer nur das Billigste» – was für eine schlechte Entschuldigung für die Unfähigkeit, Mehrwert zu kommunizieren!), die Eigentümer («die verstehen nichts vom Geschäft»), die Vergangenheit, die Politik usw. Häufig werden mit einer grossen Selbstverständlichkeit immer die gleichen Parolen wiederholt. Wir alle wissen: Wenn man etwas nur häufig genug sagt, glaubt man tatsächlich irgendwann selbst daran.
- Wir haben nicht die richtigen Leute. Oder: Unsere Leute wollen sich einfach nicht richtig einbringen. Dabei zeigt sich immer wieder: Die grosse Mehrheit der Mitarbeiter in jeder Organisation blüht mit einem Mal auf, wenn nur einige wichtige Dinge von der Geschäftsleitung richtig gemacht werden. Nein, mehr Geld gehört nicht dazu. Wenn Sie einem unglücklichen Mitarbeiter mehr Geld geben, haben Sie nur einen reicheren unglücklichen Mitarbeiter!
- Nur Fakten zählen. Kaum etwas ist ferner von der Wirklichkeit. Das Einzige, was Menschen zum Handeln bewegt, sind Emotionen. Dazu gibt es diverse Studien. Logik regt Menschen zum Denken an, Emotionen zum Handeln! Und doch versucht die Geschäftsleitung in den meisten Unternehmen, ihre Mitarbeiter mit Zahlen und trockenen Botschaften zum Handeln zu bewegen – ein gefährlicher Irrglaube!
Was ist zu tun? Die drei wichtigsten Massnahmen
Ergebnisverantwortung. Der wohl wichtigste Schritt in den meisten Unternehmen ist die Verankerung der vollen Ergebnisverantwortung bei allen Mitarbeitern. Wichtig: Mit Ergebnisverantwortung meinen wir Verantwortung für die Ergebnisse des Handelns (also kaum finanzielle Ergebnisse). Im Gegensatz dazu sind in den meisten Organisationen die Mitarbeiter verantwortlich für Aufgaben, aber eben kaum für Ergebnisse. Das fängt schon bei den Stellenbeschreibungen an: endlose Listen von Aufgaben, aber kaum die gewünschten Resultate.
Der Unterschied ist fundamental: Wenn man nur für Aufgaben verantwortlich ist, muss es jemand anderen geben, der für die Ergebnisse geradesteht. Und das ist dann eben der Chef, die andere Abteilung, die Kunden, der Markt usw. Nach dem Motto: «Wir haben alles getan, aber es kommt eben nichts dabei heraus.» Die Geschäftsleitung hat die Verantwortung, das zu ändern. Die Übernahme voller Verantwortung ist eine bewusste Entscheidung jedes Einzelnen.
Nach unserer Erfahrung ist das ein gewaltiger Schritt für die meisten KMU. Wenn wir als Berater dem versammelten Kader klarmachen, dass es niemand anderen gibt, der für den Erfolg und die Zukunft dieses Unternehmens verantwortlich ist, herrscht oft erstauntes Schweigen. Oft hat sich das niemand in dieser Tragweite klargemacht. Es ist eben viel einfacher, andere Schuldige zu suchen, und dieses Verhalten ist häufig extrem tief in der Kultur verankert.
Sicherheit. Jeder Mensch hat ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit. Unsicherheit führt zu niedrigerer Leistung. In vielen Organisationen herrscht hingegen eine Unsicherheitskultur: über den Zweck der Arbeit (warum tun wir überhaupt, was wir tun?), über die Zukunft (keine klare Vision und Strategie), den tatsächlichen Zustand (wer sind überhaupt unsere wichtigsten Kunden?) usw.
Allein das Schaffen von Sicherheit zu diesen und weiteren Punkten erhöht die Leistungsbereitschaft signifikant. Wichtig: Sicherheit muss vorgelebt werden. Wir erleben oft, dass die Geschäftsleitung keinerlei Sicherheit über das Geschäft und die Zukunft hat. Das muss sich dann als Erstes ändern.
Emotionen. Begeisterung ist rein emotional. Die entemotionalisierte Kommunikation in vielen Unternehmen steht jeder Begeisterung komplett im Weg. Da ist es kein Wunder, dass die Mitarbeiter «ein paar Gänge ‘runterschalten» und nur auf der Hälfte ihrer Leistung fahren, die sie bei voller Leidenschaft bringen würden.
Eine überzeugende Mission («woran glauben wir?», «warum tun wir, was wir tun?»), persönliche und authentische Kommunikation, Video statt E-Mail, Humor und ehrliche Anerkennung von Leistung sind nur einige der möglichen Massnahmen, um aus Organisationen wieder ein positives emotionales Erlebnis für Mitarbeiter (und übrigens auch für Kunden) zu machen.
Bereits mit diesen drei einfachen Massnahmenbündeln wird ein grosser Schritt in die Richtung gegangen, die Kräfte des Unternehmens in der Midlife-Crisis wieder voll zu entfalten und alle Mitarbeiter in den Prozess einzubeziehen.
Drei Sofortmassnahmen
Wir empfehlen folgende drei Aktionen unmittelbar zu starten, um das Unternehmen aus der KMU-Falle herauszuführen:
- Die Geschäftsleitung ernennt ein «Zukunftsteam» von 8–12 Mitarbeitern und gibt diesem Team die volle Verantwortung für die Zukunft des Unternehmens. Keine Entschuldigungen, keine anderen Schuldigen! Die Teammitglieder tragen die volle Verantwortung für die positive Zukunft des Unternehmens (wohlgemerkt nicht «für die Definition einer Strategie», denn das wäre nur eine Aufgabe, kein Ergebnis).
- Der (emotionale) Unternehmenszweck wird herausgearbeitet und mit allen geteilt. Wieso existiert dieses Unternehmen überhaupt? Tipp: Oft hilft es sich anzuschauen, warum das Unternehmen dereinst gegründet wurde.
- Jegliche Führung und Kommunikation wird auf allen Ebenen entstaubt. Emotionen vor trockenen Fakten!
Letztlich geht es darum, das KMU zu dem zu machen, womit alle Unternehmen einmal gestartet sind: mit dem festen Glauben, etwas besser zu machen in der Welt, den Kunden einen klaren Mehrwert zu bieten, mit Begeisterung zu agieren und eine Umgebung zu schaffen, in der Leistung wirklich Spass macht. Mit dem Besinnen auf diese Werte und entschlossenem Handeln schafft es jedes KMU aus der Falle und kann die Leistungsfähigkeit dramatisch steigern. Dies ist eine bewusste Entscheidung und für diese ist niemand anders verantwortlich als die Geschäftsleitung.
Zum Autor
Volkmar Völzke ist Erfolgs-Maximierer für ambitionierte Führungspersönlichkeiten, Teams und Unternehmen und ist der Gründer und CEO der New Pace Consulting AG, Kontakt: volkmar.voelzke@new-pace.com, www.new-pace.ch, Tel. 044 586 27 07.