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N E W S L E T T E R

 


Autoren:

Auflage: 17’000
(elektronisch versendet)

  Dr. iur. Bernhard Madörin
Steuer- u. Treuhandexperte
Zugelassener Revisionsexperte RAB
Zugelassener Versicherungsvermittler FINMA
  Pascal Lochiger
Jur. Praktikant / Kaufmann

 

Das neue Erwachsenenschutzrecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Per 1. Januar 2013 tritt das neue Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Damit wird das 100 Jahre alte, seither nahezu unverändert gebliebene Vormundschaftsrecht des Zivilgesetzbuches auf den aktuellen Stand gebracht und es wird mit diversen Massnahmen sichergestellt, dass künftig nur soviel staatliche Betreuung erfolgt, wie nötig ist.

Allgemeines
Ziel der Gesetzesrevision war die Förderung der Selbstbestimmung sowie die Stärkung der Solidarität innerhalb der Familie. Dazu werden zwei mehr oder weniger neue Instrumente zur Verfügung gestellt: Einerseits der Vorsorgeauftrag, mit welchem eine handlungsfähige Person die eigene Betreuung und rechtliche Vertretung im Falle der Urteilsunfähigkeit regeln kann, andererseits die Patientenverfügung, in welcher die medizinischen Massnahmen oder die Personen mit Entscheidungsbefugnis für den Fall der Urteilsunfähigkeit bestimmt werden können. Patientenverfügungen existieren zwar bereits heute schon, jedoch findet aktuell noch keine einheitliche Beurteilung und Behandlung statt. Dies wird nun mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht geregelt.

Vorsorgeauftrag
In den neuen Artikeln 360 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) ist der Vorsorgeauftrag geregelt. Er dient dazu, eine oder mehrere Personen zu benennen, welche im Falle der Urteilsunfähigkeit die Entscheidungen treffen sollen. In jedem Fall ist es ratsam, vorgängig abzuklären, ob die ausgewählte(n) Per­son(en) gewillt ist/sind, den Vorsorgeauftrag dann auch wirklich auszuführen, da diese nicht automatisch dazu verpflichtet sind.

Im Vorsorgeauftrag kann detailliert ausgeführt werden, welche Aufgaben von welchen Perso­nen übernommen werden sollen. Möglich ist die Verwaltung aller Angelegenheiten oder nur einzelner Bereiche, wie zum Beispiel die Betreuung oder die Verwaltung des Vermögens.

Gemäss dem Gesetz muss der Vorsorgeauftrag eigenhändig errichtet oder öffentlich beurkundet werden. Somit muss der Vorsorgeauftrag vollständig von Hand geschrieben sein sowie mit Datum und Unterschrift (wie ein Testament) versehen sein oder von einem Notar beglaubigt werden. Solange eine Person noch urteilsfähig ist, kann der Vorsorgeauftrag jederzeit widerrufen werden.

Patientenverfügung
Aktuell ist es den Kantonen freigestellt, die Patientenverfügungen gesetzlich zu regeln. Daher bestehen momentan auch unterschiedliche Bestimmungen in den verschiedenen Kantonen, welche mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht (Art. 370 ff. ZGB) durch eine für die ganze Schweiz geltende Regelung vereinheitlicht werden.

Die Patientenverfügung dient dazu, dass eine urteilsfähige Person festlegen kann, welchen medizinischen Massnahmen sie im Falle der Urteilsfähigkeit zustimmt und welche Massnahmen sie ablehnt. Ebenfalls ist es möglich, in der Patientenverfügung eine Person zu bezeichnen, welche über die medizinischen Massnahmen bestimmen soll.

Die Patientenverfügung muss schriftlich errichtet werden. Somit muss sie im Gegensatz zum Vorsorgeauftrag nicht handschriftlich erstellt werden, es genügt ein datiertes und unterschriebenes Formular. Die Patientenverfügung kann jederzeit, solange die Person noch urteilsfähig ist, geändert und widerrufen werden.

Gesetzliche Massnahmen für urteilsunfähige Personen
Gibt es weder einen Vorsorgeauftrag noch eine Patientenverfügung kommen die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung. Bezüglich Vorsorgeauftrag gilt folgendes:

Wer als Ehegatte, eingetragene Partnerin oder eingetragener Partner mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet, hat von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht, wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht. Dieses Vertretungsrecht umfasst alle Rechtshandlungen, die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs erforderlich sind, die Verwaltung des Einkommens und des Vermögens sowie nötigenfalls die Befugnis, die Post zu öffnen und zu erledigen.

Wenn sich eine urteilsunfähige Person nicht in einer Patientenverfügung über die medizinischen Massnahmen geäussert hat, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung. Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.

Die Reihenfolge der zur Vertretung berechtige(n) Person(en) ergibt sich, sofern keine Patientenverfügung oder Beistandschaft vorliegt, ebenfalls aus dem Gesetz:

1. Wer als Ehegatte, eingetragene Partnerin oder eingetragener Partner einen gemeinsamen Haushalt mit der urteilsunfähigen Person führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet.

2. Die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt und ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet.

3. Die Nachkommen, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten.

4. Die Eltern, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten.

5. Die Geschwister, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten.

Fazit
Das neue Erwachsenenschutzrecht bietet ein umfassendes Selbstbestimmungsrecht im Falle der Urteilsunfähigkeit. Damit dieses Recht jedoch wahrgenommen werden kann, müssen rechtzeitig, bevor der Fall der Urteilsunfähigkeit eintritt, die nötigen Schritte vorgenommen werden.

Sollten Sie Fragen bezüglich des neuen Erwachsenenschutzrechts haben oder weitere Informationen bezüglich Vorsorgeauftrag und Patientenverfügungen wünschen, steht Ihnen unser Juristenteam gerne zur Verfügung.